published in:
Drosera 1990: 123-125, Oldenburg.
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Überwinternde Schwebfliegen (Diptera, Syrphidae) bei Ebstorf

Danny Wolff

Abstract: The females of the hoverflies Eupeodes lapponicus (ZETT.) and Eristalis tenax (L.) are reported to hibernate in the brickwork of a bridge near Uelzen (Lower Saxony).

Während die meisten der knapp 400 einheimischen Schwebfliegenarten im 3. Larval- oder im Pupalstadium überwintern, können einige wenige Arten die kalte Jahreszeit auch als Imago überstehen. Dies ist der Fall bei Scaeva pyrastri (L.), Scaeva selenitica (MEIG.), Episyrphus balteatus (DEG.), Meliscaeva auricollis (MEIG.) Eupeodes lapponicus (ZETT.) (SCHNEIDER 1947-69), Eupeodes luniger (MEIG.) (GAUSS 1961), Eristalis tenax (L.) (FELDMANN & BEHAGE 1966) sowie Eristalinus aeneus (SCOP.) (BRUGGE 1980). Wie DUSEK & LASKA (1974) durch Zuchtversuche zeigten, sterben Larven und Puparien von E. balteatus und S. pyrastri während des Winters ab; Puparien von E. luniger entwickelten sich hingegen im Frühjahr normal. Die Überwinterung von E. luniger im Imaginalstadium ist also keineswegs obligatorisch, vielleicht sogar nur eine Ausnahme. Fast alle Funde überwinternder Schwebfliegen betreffen weibliche Exemplare; die Männchen gehen am Ende des Herbstes ein. BRUGGE (1980) fand allerdings in den Niederlanden (Texel) auch überwinternde Männchen von E. aeneus.

Offenbar sind im südlichen Mitteleuropa die Bedingungen für eine Überwinterung im Imaginalstadium günstiger als im nördlichen Mitteleuropa. So konnte z.B. in Dänemark bisher nur E. tenax überwinternd nachgewiesen werden, obwohl alle o.a. Arten (mit Ausnahme von E. lapponicus) dort mehr oder weniger häufig sind. Die dänischen Populationen von E. balteatus sterben im Spätherbst aus (oder wandern nach Süden ?; ein auffällig hoher Anteil der o.a. Arten zählt zu den Wanderern unter den Syrphiden) und werden im Mai/Juni durch Einwanderer aus dem Süden neu begründet (TORP 1984). Ähnliches gilt vermutlich auch für den Landesteil Schleswig in Schleswig-Holstein. Auch hier erscheint E. balteatus erst ab Juni (CLAUSSEN 1980).

KRACHT (1986) konnte diese Art im Vogelsberg und im Gießener Becken ebenfalls erst ab Juni nachweisen, während sie weiter nördlich bei Kassel (MALEC 1986) oder bei Bochum (HOFFMANN & SCHUMACHER 1982) bereits in den ersten warmen Frühlingstagen im März zu finden ist.

Insgesamt ist die Frage, in welchen Gebieten und unter welchen Bedingungen Schwebfliegen im Imaginalstadium überwintern können, noch weitgehend ungeklärt. Deshalb soll an dieser Stelle über einige Beobachtungen aus dem Winter 1989/90 berichtet werden; Am 22. Oktober 1989 bemerkte der Verfasser in der Umgebung von Ebstorf (Niedersachsen, Landkreis Uelzen: 53° 1' n. Br., 10° 27' ö.L.) bei günstiger Witterung eine Anzahl Schwebfliegen, die vor dem Mauerwerk einer alten Brücke auf- und niederschwebten und dieses zu untersuchen schienen. Wie der Fang von 10 Exemplaren ergab, handelte es sich ausschließlich um Weibchen von E. lapponicus. Am folgenden Tag konnten an derselben Stelle 2 Exemplare einer Eristalis-Art beobachtet werden. Auch sie schienen das Mauerwerk näher zu untersuchen und wurden dabei offenbar besonders von dunklen Stellen (Moosflecken, kleine Löcher und Spalten) angezogen. Ab und zu krochen diese beiden Tiere auch in Mauerspalten hinein, kamen jedoch jedesmal nach kurzer Zeit wieder zum Vorschein. Interessanterweise wurde v. a. die nordöstlich exponierte Seite beflogen; eine ähnliche Beobachtung machte GAUSS (1961) bei E. luniger.

Am 7.1.1990 wurden die Risse und Spalten dieser Wand bis in eine Höhe von ca. 5 m mit Hilfe einer Taschenlampe untersucht. Wie erwartet, konnten dabei sowohl E. lapponicus als auch E. tenax nachgewiesen werden, erstere jedoch nur in einem Exemplar. Inwieweit oberhalb von 5 m weitere Tiere (insbesondere von E. lapponicus) überwinterten, konnte nicht überprüft werden. Die Bedingungen dürften hier aufgrund der geringeren Frostgefährdung noch günstiger sein. Je nach Größe der Überwinterungsverstecke hielten sich zwischen 2 (Mauerspalte ca. 5 cm tief und 1 cm breit) und 11 Fliegen (Mauerspalte ca. 25 cm tief und 1-2cm breit) zusammen auf. Das einzige Exemplar von E. lapponicus wurde zusammen mit 9 Exemplaren von E. tenax in einer ca. 10 cm tiefen und 1 cm breiten Spalte gefunden. Bei allen Tieren handelte es sich um Weibchen.

Neben einigen toten Exemplaren befanden sich auch viele Chitinreste von E. tenax in den Spalten, was darauf hindeutet, daß das rissige Mauerwerk von dieser Art in den letzten Jahren regelmäßig zur Überwinterung aufgesucht wurde. Auf Berührung reagierten die Tiere mit sehr trägen Bewegungen und versuchten, sich möglichst tief in kleinen Ritzen und Löchern zu verstecken.

Ein Vergleich der Temperaturen vor und nach dem 7.1. 1990 macht es sehr wahrscheinlich, daß die gefangenen Tiere den gesamten Winter überstanden hätten. Die stärksten Fröste vor dem 7.1. erreichten Werte bis ca. –10°C (30.11. - 3.12. 1989). Nach diesem Datum sanken die Temperaturen nicht unter –5°C. So konnten Weibchen von E. tenax seit Ende Februar (erstmals am 23.2.1990) auch relativ häufig bei günstiger Witterung an blühenden Salix spp. oder Anemone nemorosa beobachtet werden. Blütenbesuchende Exemplare von E. lapponicus konnten erstmals am 29.4.1990 (an Prunus padus) gefangen werden, verglichen mit den Funddaten von CLAUSSEN (1980, 1985) und TORP (1984) ein sehr frühes Datum. Frühe Nachweise zweier weiterer Arten lassen vermuten, daß auch diese in der Umgebung von Ebstorf im Imaginalstadium überwintert haben; E. balteatus: 23.2.: 3 Weibchen. 14.3.: 1 Weibchen. 17.3.: 5 Weibchen, auch 1989 konnte E. balteatus bereits im März nachgewiesen werden: 25.3.: 1 Weibchen; S. selenitica: 17. 3.: 1 Weibchen an Salix caprea.

Weitere Beobachtungen müssen jedoch zeigen, ob es sich bei diesen Überwinterungen nur um Ausnahmefälle handelt, die durch das milde Wetter der letzten beiden Winter begünstigt wurden, oder ob die genannten Arten doch regelmäßig in diesen Breitengraden überwintern, sich bisher nur weitgehend Beobachtungen entziehen konnten. So ist zum einen die Beobachtertätigkeit im zeitigen Frühjahr oft noch sehr gering und zum anderen sind die Fliegen nur schwer in ihren Überwinterungsverstecken nachzuweisen (in vorliegendem Fall z. B. in 4-5 m Höhe).

 

Zusammenfassung

Es wird über die Überwinterung von Weibchen der Schwebfliegen Eupeodes lapponicus (ZETT.) und Eristalis tenax (L.) im Mauerwerk einer Brücke bei Uelzen (Niedersachsen) berichtet.

 

Literatur;

BRUGGE, O. (1980): Eristalinus aeneus (SCOPOLI) overwinterend in Nederland gevonden (Diptera, Syrphidae). - Ent. Ber. 40: 49-50.

CLAUSSEN, C. (1980): Die Schwebfliegenfauna des Landesteils Schleswig in Schleswig - Holstein (Diptera, Syrphidae). - Faun. - Ökol. Mitt., Supp. 1: 3-79.

CLAUSSEN (1985): Zur Kenntnis der Schwebfliegenfauna des Landesteils Schleswig (Diptera, Syrphidae) - Nachtrag (1979-1983). - Faun.-ÖkoI. Mitt. 5: 389-403.

DUSEK, J. & P. LASKA (1974): Overwintering and spring emergence of some common species of aphidophagous syrphids (Syrphidae, Diptera). Folia facultatis scientiarum naturalium universitatis purkynianae Brunensis, Tomus XV, Biologis 43.

FELDMANN, R. & H.O. REHAGE (1966): Beobachtungen an gesellig in Höhlen überwinternden Zweiflüglern (Diptera). - Natur und Heimat 26: 104-107.

GAUSS, R. (1961): Zur Überwinterung von Syrphus luniger MEIG. (Dipt. Syrphidae). - Mitt. bad. Landesver. Naturkunde u. Naturschutz, N.F. 8: 65-66.

HOFFMANN, H. & H. SCHUMACHER (1982): Die Syrphiden - Fauna in der Umgebung der Ruhr-Universität Bochum (Diptera, Syrphidae). - Decheniana 135: 37-44.

KRACHT, M. (1986): Untersuchungen über die Schwebfliegenfauna (Diptera, Syrphidae) des Vogelsberges und des Gießener Beckens. - Das Künanzhaus, Suppl. 2.

MALEC, F. (1986): Die Schwebfliegen (Diptera, Svrphidae) der Umgebung Kassels, Teil 1: Syrphinae. - Philippia V: 346-379.

SCHNEIDER, E. (1947): Zur Überwinterung von Lasiopticus pyrastri L. und Lasiopticus seleniticus MEIG. (Dipt., Syrphidae). - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 20: 306-316.

SCHNEIDER , F. (1948): Beitrag zur Kenntnis der Generationsverhältnisse und Diapause räuberischer Schwebfliegen (Syrphiden Dipt.). - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 21: 249-285.

SCHNEIDER, F. (1958): Künstliche Blumen zum Nachweis von Winterquartieren, Futterpflanzen und Tageswanderungen vont Lasiopticus pyrastri (L.) und andern Schwebfliegen (Syrphidae, Dipt.). - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 31: 1-24.

SCHNEIDER, F. (1969): Bionomics and Physiology of aphidophagous Syrphidae. - Ann. Rev. Ent. 14: 103-124.

TORP, E. (1984): De danske svirrefluer (Diptera, Syrphidae). Kendetegn, levevis og udbredelse. Danmarks Dyreliv Bind 1, 300 pp., Fauna Boger, Kobenhavn.

 

Anschrift des Verfassers:

Danny Wolff, Bahnhofstraße 33, D-3112 Ebstorf

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