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Danny Wolff
Wolff, D. (1996): Brachyopa insensilis Collin, 1939 (Diptera, Syrphidae) - a synanthropic animal? - Volucella 2(1/2), 93-97. Stuttgart.
Larvae of Brachyopa insensilis Collin, 1939 are reported from sap-runs of several species of deciduous trees. B. insensilis is not restricted to natural woods but also occurs in suburban and urban ecosystems, especially parks.
Zusammenfassung
Es wird über Larvenfünde von Brachyopa insensilis Collin, 1939 in Schleimflüssen verschiedener Laubbäume berichtet. Regelmäßige Funde an Straßenbäumen und in Grünanlagen im städtischen Bereich zeigen, daß diese Art in Nordost-Niedersachsen nicht an naturnahe Wälder gebunden ist, sondern als Kulturfolger eingestuft werden kann.
Die Gattung Brachyopa Meigen, 1822 unterscheidet sich von vielen anderen Schwebfliegen-Gattungen dadurch, daß sie vornehmlich kleinere, vergleichsweise unscheinbare, braun oder graubraun gefärbte Arten enthält. Die verworrene Taxonomie und Nomenklatur der mitteleuropäischen Vertreter dieser Gattung wurde erst durch eine Arbeit von Thompson (1980) geklärt.
Aus der Gruppe um Brachyopa bicolor (Fallen, 1817) (mit grau gefärbtem Thorax) wird B. insensilis häufig zu den selteneren Arten gezählt. So schreibt Röder (1990): ,,Eine (sehr) seltene silvikole Art. (C, Go, SN) Sie muß als die seltenste Art der Gattung gelten". In Belgien konnten bis 1987 lediglich 4 Nachweise für diese Art erbracht werden (Verlinden & Decleer 1987). Aus Niedersachsen waren bis 1989 lediglich elf adulte Exemplare bekannt (Barkemeyer 1994). Kormann (1988) stuft die Art als ,,stark gefährdet" ein. Diese Angaben stehen im Widerspruch zu den Felderfahrungen des Autors. Dies wird zum Anlaß genommen, über eigene Beobachtungen zu berichten.
1. Lebensweise der Larven: Die Larven der Gattung Brachyopa sind seit langem als Bewohner von Schleimflüssen an Bäumen bekannt (u.a. Lundbeck 1916 und Krüger 1926). Hierbei maß es sich nicht unbedingt um offen liegende Schleimflüsse handeln. Rotheray (1994) berichtet auch über Larvenfünde in Schleimansammlungen unter Baumrinde. Seltener entwickeln sich die Larven auch in Holzmulm unter Baumrinde. (So fand der Autor z.B. im Tegeler Forst in Berlin drei Larven von B. pilosa Collin, 1939 in einer ca. 1 cm dicken Mulmschicht unter der Rinde einer starken, bereits einige Jahre zuvor umgebrochenen Pappel). Rotheray (1994) vermutet, daß sich die Brachyopa-Larven in den Schleimflüssen von den dort lebenden Mikroorganismen ernähren.
Röder (1990) gab B. insensilis den deutschen Namen ,,Ulmen-Baumschwebfliege". Er schreibt hierzu: ,,Sie muß als die seltenste Art der Gattung gelten. Denn nach Claussen (1986) (sic!) soll ihre Existenz von Ulmen abhängig sein, und der Bestand dieser Bäume ist in letzter Zeit durch das weit verbreitete Ulmensterben erheblich zurückgegangen. - (VD: p. 50 + 56, St: p. 180, R)." Dieses Beispiel macht deutlich, wie dringend auf genaues Zitieren und Verwendung der Originalliteratur geachtet werden muß. Röder (1990) hat sich hier offenbar darauf verlassen, daß die Belgier Verlinden & Decleer (1987) (vgl. ,,VD: p. 50 + 56" in obigem Zitat) die Angaben von Claussen (1985) richtig wiedergegeben haben. Dies ist jedoch nicht der Fall. Er gibt lediglich an, Larven von B. insensilis in Schleimflüssen an Ulmen (Ulmus glabra) gefunden zu haben, nicht jedoch, daß diese an Ulmen gebunden sein sollen. Darüber-hinaus gibt er an, adulte Tiere auch am Ausfluß von Kastanien gefangen zu haben. Er schreibt: ,,Durch die Konzentration von Ulmen und Kastanien im Siedlungsbereich (Straßen- und Parkbäume) findet B. insensilis hier vermutlich bessere Entwicklungsbedingungen als in den oft monotonen Forsten der umgebenden Landschaft. Die Art ist daher im Gebiet möglicherweise als synanthrop einzustufen."
Nach Rotheray (1994) sind Larvenfunde von B. insensilis derzeit aus Schleimflüssen an Roßkastanie (Aesculus), Eiche (Quercus) und Ulme (Ulmus) bekannt, wobei er u.a. Lundbeck (1916) als Quelle angibt, der die Art jedoch noch gar nicht kennen konnte. Der Autor konnte im Herbst 1994 Larven dieser Art an zwei weiteren Baumarten feststellen: am 29.09.1994 sechs Larven in einem Schleimfluß an der Stammbasis einer Schwarzerle (Alnus glutinosa) im Klein Hesebecker Bruch bei Klein Hesebeck im Landkreis Uelzen, am 14.10.1994 eine Larve in einem kleinen Schleimfluß an Kornellkirsche (Cornus mas) im Park an der Wandrahmstraße in Lüneburg. Die Art düifte sich noch in Schleimflüssen zahlreicher anderer Baumarten entwickeln. Adulte Tiere wurden z.B. bereits an Schleimflüssen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) (Torp 1984) und Rotbuche (Fagus sylvatica) (eigene Beobachtungen des Autors) gefangen.
2. Lebensraum: Als Bewohner von Schleimflüssen ist B. insensilis naturgemäß an Gehölzstrukturen gebunden, wobei Laub- oder Laubmischwälder den natürlichen Lebensraum darstellen dürften. Eine Beschränkung auf bestimmte Wald-Ökosystemtypen kann ausgeschlossen werden. Der Autor fand die Art z.B. sowohl in einem trockenen, nährstoffarmen Eichen-Buchenwald (Fago-Quercetum) im Süsing (mit Larvenfunden an Stieleiche Quercus robur) als auch in einem feuchten, vergleichsweise nährstoffreichen Traubenkirschen-Eschenwald (Pruno-Fraxinetum) (mit Larvenfunden an Schwarzerle Alnus glutinosa, s.o.). Von größerer Bedeutung als der Ökosystemtyp scheint für das Vorkommen von B. insensilis (und anderen Brachyopa-Arten) die Biotopstruktur zu sein. Obwohl adulte Tiere relativ selten gefangen werden, können auch sie zu den Blütenbesuchern gezählt werden. Nach eigenen Beobachtungen werden hierbei blühende Sträucher bevorzugt, z.B. Schlehe (Prunus spinosa), Weißdorn (Crataegus sp.) oder Eberesche (Sorbus aucuparia). Ein gutes Nahrungsangebot ist daher in erster Linie in sehr lichten Wäldern mit gut entwickelter Strauchschicht (z.B. viele Bestände des Traubenkirschen - Eschenwaldes) oder in Wäldern mit einem hohen Anteil an Waldinnenrändern (Wege, Lichtungen, Windwurflöcher etc.) zu erwarten.
Ssymank (1994) wertet B. insensilis in seiner ,,Liste geeigneter Schwebfliegen (Diptera Syrphidae) als Indikatorarten für historisch alte Wälder in Deutschland" als ,,Art mit mittlerer Bindung an historisch alte Wälder". Diese Arten sollen ihren Schwerpunkt in alten Wäldern haben, gelegentlich jedoch auch in jüngeren Wäldern auftreten.
Stubbs (1987) stuft die Art für das historisch und aktuell weitaus waldärmere Großbritannien hingegen lediglich als schwache (,,weak") Indikatorart für alte Wälder ein. Im Bereich des nordöstlichen Niedersachsens ist bereits die Bindung an Wälder überhaupt so schwach, daß B. insensilis für diesen Raum aus der Liste von Ssymank (1994) gestrichen werden muß. Der Verfasser konnte Larven dieser Art in Uelzen (Nordallee, Am Schützenplatz, St. Marien - Kirche in Uelzen-Veerßen), Bad Bevensen (Medinger Straße) und Lüneburg (Park an der Wandrahmstraße, Reiherstieg) regelmaßig in Schleimflüssen von Roßkastanien an Straßen oder in Grünanlagen (auch im Kernbereich von Siedlungen) nachweisen. Auffallend bei allen Fundorten in Siedlungsgebieten war die Nähe zu größeren Grünanlagen oder Bereichen mit großflächigen Gärten. In Schleimflüssen an Bäumen, die einzeln oder in Reihen an Straßen in Bereichen mit hohem Versiegelungsgrad standen, gelangen dem Autor bisher keine Nachweise von B. insensilis-Larven. Möglicherweise spielt hierbei das Nahrungsangebot für die Imagines eine Rolle, das in Parkanlagen oder in Gärten in Form blühender Sträucher (und Kräuter) in der Regel in ausreichendem Maße vorhanden ist. Das obige Zitat von Claussen (1985) läßt vermuten, daß auch im waldarmen Schleswig keine enge Bindung an Wälder oder gar alte Wälder zu beobachten ist.
M.E. bedürfen auch die anderen in der Liste von Ssymank (1994) aufgeführten Arten einer kritischen Überprüfung in Form von Untersuchungen, wie sie beispielsweise Wulf & Kelm (1994) und Zacharias (1994) für Gefaßpflanzen oder Aßmann (1994) für Laufkäfer durchgeführt haben. Während unter den in diesen Arbeiten aufgeführten Indikatorarten für alte Waldstandorte ein hoher Anteil von Arten auffällt, die nur ein eingeschränktes Verbreitungsvermögen besitzen (z.B. Selbst-, Ameisenverbreitung bei den Gefäßpflanzen, Flugunfähigkeit bei den Laufkäfern) sind alle einheimischen Schwebfliegenarten flugtüchtig.
3. Verbreitung und Häufigkeit: B. insensilis gehört nach den Erfahrungen des Autors zu den Arten, die sich im Larvenstadium leichter nachweisen lassen als im Imaginalstadium. Die Angaben von Barkemeyer (1994), Verlinden & Decleer (1987) und Röder (1990) beruhen hingegen fast ausschließlich auf Funden von adulten Tieren. Es ist davon auszugehen, daß B. insensilis bei gezielter Suche in Norddeutschland als weit verbreitet und relativ häufig eingestuft werden muß. Ähnliche Beobachtungen machten Rotheray & MacGowan (1990), die bei der Untersuchung von größeren, wassergefüllten Astlöchern und Baumhöhlen in schottischen Kiefernwäldern regelmäßig Larven von Callicera rufa fanden und so feststellten, daß diese Art weitaus häufiger ist, als nach den Beobachtungen von Imagines allein vermutet werden mußte.
Literatur
Aßmann, T. (1994): Epigäische Coleopteren als Indikatoren für historisch alte Wälder der Nordwestdeutschen Tiefebene. - NNA - Berichte 3/94,142-151.
Barkemeyer, W. (1994): Untersuchung zum Vorkommen der Schwebfliegen in Niedersachsen und Bremen (Diptera: Syrphidae). - Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 31. Hannover.
Claussen, C. (1985): Zur Kenntnis der Schwebfliegenfauna des Landesteils Schleswig (Diptera, Syrphidae) - Nachtrag (1979-1983). - Faun.-Ökol. Mitt. 5, 389-403. Kiel.
Kormann, K. (1988): Schwebfliegen Mitteleuropas: Vorkommen - Bestimmung -Beschreibung - ecomed-Verlag, Landsberg a .L.
Krüger, F. (1926): Biologie und Morphologie einiger Syrphidenlarven. - Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere 6, 83-149.
Lundbeck, W. (1916): Diptera Danica 5. (Lonchopteridae, Syrphidae). - G.E.C. Gad, Kopenhagen.
Röder, G. (1990): Biologie der Schwebfliegen Deutschlands (Diptera: Syrphidae). -Erna Bauer Verlag, Keltern-Weiler.
Rotheray, G.E. (1994): Colour Guide to Hoverfly Larvae (Diptera, Syrphidae). -Dipterists Digest 9
Rotheray, G.E. & MacGowan, 1. (1990): Re-evaluation of the status of CaIlicera rufa Schummel (Diptera: Syrphidae) in the British Isles. - The Entomologist, 109, 35-42.
Ssymank, A. (1994): Indikatorarten der Fauna für historisch alte Wälder. - NNA -Berichte 3/94, 134-141.
Stubbs, A. (1987): Hoverflies as indicator species. In: Whitheley, D. (1987): Hoverflies of the Sheffield area and North Derbyshire. - Sorby Record Special Series No. 6, Sheffield.
Thompson, FC. (1980): The problem of old names as illustrated by Brachyopa "conica Panzer", with a synopsis of Palaearctic Brachyopa Meigen (Diptera: Syrphidae). - Ent. scand. 11, 209-216.
Torp, E. (1984): De danske svirrefluer (Diptera: Syrphidae) - Kendetegn, levevis og udbredelse. - Danmarks Dyreliv 1, Fauna Boger, Kopenhagen.
Verlinden, L. & Decleer, K. (1987): The hoverflies (Diptera, Syrphidae) of Belgium and their faunistics: frequency, distribution, phenology. - Studiedocumenten Nr. 39, Koninklijk Belgisch Instituut voor Natuurvetenschappen, Brüssel.
Wulf, M. & Kelm, H.J. (1994): Zur Bedeutung ,,historisch alter Wälder" für den Naturschutz - Untersuchungen naturnaher Wälder im Elbe - Weser - Dreieck. -NNA - Berichte 3/94, 15-50.
Zacharias, D. (1994): Bindung von Gefäßpflanzen an Wälder alter Waldstandorte im nördlichen Harzvorland Niedersachsens - ein Beispiel für die Bedeutung des Alters von Biotopen für den Pflanzenartenschutz. - NNA - Berichte 3/94, 76-88.
Anschrift des Verfassers:
Danny Wolff, Bahnhofstraße 33, D-29574 Ebstorf